16. Juli 2019

Urteil des Monats: Kein Urlaubsverfall ohne "Warnung" des Arbeitgebers

Zu den Verfallsfristen von Urlaubsansprüchen hat es in letzter Zeit zwar diverse Entwicklungen und Urteile gegeben, die zu einer Besserstellung der Betroffenen geführt haben. Doch die Lage ist häufig kompliziert . Hilfreich ist die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung, die den Arbeitgeber verpflichtet, die Beschäftigten vor dem Verfall auf noch vorhandenen Resturlaub hinzuweisen.

Resturlaub verfällt nicht automatisch durch bloßen Ablauf des Urlaubsjahres beziehungsweise der Übertragungsfristen, wenn kein Urlaubsantrag gestellt wurde. Der Arbeitgeber wird in die Pflicht genommen, für die Erholung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser Sorge zu tragen. Er muss in jedem Einzelfall rechtzeitig über den noch bestehenden Urlaubsanspruch sowie die Verfallsfristen informieren und dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen. Nur wenn der Beschäftigte dennoch aus freien Stücken den zustehenden Urlaub nicht nimmt, erlischt der Urlaub. Nach der bisherigen Rechtsprechung mussten die Beschäftigten ihren Urlaubsantrag von sich aus geltend machen, um im Falls der Nichtgewährung (Schadensersatz-)Ansprüche zu haben.

Dem Arbeitgeber obliegt neuerdings also ggf. die Initiativlast für die für die Verwirklichung der Urlaubsansprüche der Beschäftigten. Er muss konkret dafür sorgen, dass die Beschäftigten in der Lage sind, ihren Urlaub zu nehmen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Beschäftigten im Zweifel am kürzeren Hebel sitzen, um ihre Rechte wahrzunehmen. Es soll verhindert werden, dass sie etwa wegen hoher Arbeitsbelastung oder um beim Arbeitgeber nicht in "Ungnade" zu fallen, ihren Urlaub nicht nehmen.

Diese Ansprüche ergeben sich nicht direkt aus dem deutschen Recht, sondern aus der europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Dies stellen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (C-619/16, C-684/16) und des Bundesarbeitsgerichtes (9 AZR 541/15) klar. Da die Richtlinie sowohl auf Arbeits- als auch Beamtenverhältnisse anzuwenden ist, gelten die daraus resultierenden Ansprüche für beide Statusgruppen.

Die für Landes- und Kommunalbeamtinnen und -beamten maßgebende schleswig-holsteinische Erholungsurlaubsverordnung sieht die folgende Verfallsregelung vor: "Der Erholungsurlaub ist im Urlaubsjahr in Anspruch zu nehmen. Erholungsurlaub, der nicht bis zum 30. September des folgenden Jahres abgewickelt worden ist, verfällt. Konnte der Erholungsurlaub aus dringenden dienstlichen Gründen nicht bis zum 30. September abgewickelt werden, verlängert sich diese Frist bis zum 31. Dezember. Dies gilt auch für Beamtinnen und Beamte, die in der zweiten Jahreshälfte in das Beamtenverhältnis eingetreten sind." Der TV-L und der TVöD regeln hingegen für Tarifbeschäftigte: "Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderhajres angetreten werden. Kann der Erholungsuralub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten." Aufgrund einer übertariflichen Erlassregelung gilt für Tarifbeschäftigte des Landes die weitergehende Übertragungsregelung für Beamtinnen und Beamte. Ergänzend ist zu beachten, dass bezüglich des krankheitsbedingt nicht genommenen Mindesturlaubs weitergehende Übertragungsregelungen anzuwenden sind, die sich für Beamte aus der Verordnung und für Tarifbeschäftigte aus der Rechtsprechung ergeben.

Das Land Schleswig-Holstein hat auf die eingangs dargestellt Rechtsprechung zur Hinweispflicht des Arbeitgebers vor einem Urlaubsverfall mit Erlassen reagiert, die Arbeitgeber bzw. Dienstherren zu entsprechenden Maßnahmen anhält. Den Kommunen empfehlen wir eine vergleichbare Praxis.

Das Urteil bzw. die Darstellung waren Gegenstand unseres Jahresaufbauseminars 2019 zum öffentlichen Dienstrecht. In dieser Seminarreihe werden jährlich die wichtigsten neueren Urteile sowie Änderungen beamten- und arbeitsrechtlicher Regelungen vorgestellt. Aus der jeweils letzten Veranstaltung wählen wir beispielhaft 12 Urteile aus, über die wir an dieser Stelle als "Urteil des Monats" informieren.

Quelle: dbb Landesbund Schleswig-Holstein